Heinrich Jacoby

Kurzbiografie Heinrich Jacoby (1889-1964)

1889

Wurde Heinrich Jacoby in Frankfurt geboren. Infolge verschiedener Krankheiten verlief seine Entwicklung verzögert. Er litt unter Rachitis und chronischer Migräne und lernte erst mit vier Jahren laufen. Auf Wunsch der Eltern absolvierte er eine Lehre in einer Eisenwarenhandlung, obwohl er gerne Musik studiert hätte.

1907

Nach der Lehre konnte er das Musikstudium am Konservatorium Strassburg (bei Pfitzner) antreten. Er belegte auch Kurse in Philosophie und Psychologie.

1909-1913

Jacoby wurde Kapellmeister und arbeitete als Regievolontär am Strassburger Stadttheater.

1914

arbeitet Jacoby als Lehrer für Musiktheorie und Formenlehre an der „Bildungsanstalt für Musik und Rhythmus“ von Jaques- Dalcroze in Dresden-Hellerau. Gleichzeitig absolviert er die Dalcroze-Ausbildung.

Er begann eine rege Vortrags- und Konzerttätigkeit (Klavier-Improvisation).

1915

Jacoby leistete kurzzeitig Kriegsdienst.

1920-1922

übernahm er die Leitung der Musikerziehung an der Odenwaldschule von Paul Geheeb.

1924-1933

Jacoby arbeitete als Privatgelehrter in Dresden und Berlin und pflegte Kontakte zum Bauhaus. Moholy-Nogy bezog sich in seiner Arbeit auf Jacoby.

Bekanntschaft und Zusammenarbeit mit Elsa Gindler.

1933

Emigration in die Schweiz nach Zürich. Jacoby war zu dieser Zeit 44 Jahre alt.

1934

Aufenthalt in Palästina beim Habimah-Theater in Tel Aviv.

1935-1947

Jacoby erhielt nur eine befristete Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz. Nur durch die politische Einflussnahme der Fabrikantentochter und Schülerin Ruth Matter konnte die Ausweisung verhindert werden. Die Aufenthaltsbewilligung galt für 9 Monate. Jacoby musste jedes Jahr drei Monate ausreisen Ruth Matter ermöglichte Aufenthalte in Italien, wo Jacoby Kurse durchführen konnte. Anschliessend musster er wieder ein neues Gesuch stellen. Nur durch politische Beziehungen sowie die Fürsprache von Prof. Heinrich Hanselmann (Heilpädagogisches Seminar Zürich) konnte eine Aufenthaltsbewilligung erlangt werden. Arbeiten und Publizieren war ihm verboten, einzig im Rahmen der speziell für ihn gegründeten „Schweizerischen Vereinigung zur Förderung der Begabungsforschung“ war ihm eine beschränkte Vortrags- und Kurstätigkeit erlaubt.

1947

wurden die einschneidenden Massnahmen aufgehoben. Jacoby stand jedoch weiterhin unter Beobachtung (Schweizer Fichenaffäre). Er war zu dieser Zeit 58 Jahre alt.

1955

konnte Jacoby im Alter von 65 Jahren die schweizerische Staatsbürgerschaft erlangen. Bis zu seinem Tod führte er weiterhin Kurse und Arbeitsgemeinschaften durch.

1964

ist Jacoby in Zürich im Haus seiner engen Vertrauten Ruth Matter gestorben. Sein Grab befindet sich auf dem Zürichberg.

Nach seinem Tod führte Dr. Ruth Matter seine Arbeit in der Schweiz fort. In Deutschland trat Sophie Ludwig die Nachfolge von Jacoby an. Sie gründete in Berlin – wiederum finanziell unterstützt von Ruth Matter – die „Heinrich-Jacoby / Elsa-Gindler – Stiftung“ und veröffentlichte mehrere Publikationen mit Kursprotokollen aus den Kursen von Jacoby. Dessen Wunsch nach einer wissenschaftlichen Auswertung seiner grundlegenden Ideen und seinem statistischen Material ist nicht in Erfüllung gegangen. Wohl nicht zuletzt auch deshalb, weil er selber nur wenige Texte verfasst und veröffentlicht hat, und nur ein fragmentarisches Gerüst seiner ganzheitlichen Forschungstätigkeit hinterliess. Diese Zurückhaltung im öffentlichen Auftritt ist durch die Zäsur des Dritten Reiches und der Emigration nachvollziehbar. Ein öffentliches Publizieren seiner sozialkritischen pädagogisch-psychologischen Ideen hätte seine Ausweisung aus der Schweiz und im Dritten Reich den sicheren Tod bewirkt. Jacoby verlor nicht nur seine nächsten Familienangehörigen im KZ, sondern ein gesamtes intellektuelles Umfeld: Der Aufbruch der 20-er Jahre in Musik, Kunst, Literatur, Pädagogik und Psychologie war nachhaltig verstummt. Auch in seinem schweizerischen Exil herrschte in den fünfziger Jahren das Klima des kalten Krieges. Es liegt nun – in einer offener gewordenen Welt – an seinen Schülerinnen und Schülern, ihm und seiner Arbeit wieder vermehrt zu Sprache und Öffentlichkeit zu verhelfen und seine auch heute gültigen grundlegenden Erkenntnisse auf die heutige Zeit bezogen zu formulieren und zu praktizieren.